Etwas über die Musik der Römer

 

Bei unserem Besuch im Museum der Varus-Schlacht in Kalkriese war erwähnt, dass die Römer in ihren Legionen auch Musiker hatten. Aber die Musikgeschichte Roms wurde über Jahrhunderte falsch dargestellt. Ursache war die neuhumanistische Griechenbegeisterung Burneys, der die römische Musikgeschichte (1776-) als Wüstenpassage beschrieb und somit die Musik der Römer für lange Zeit unberechtigter Weise abwertete.
Somit konnte Forkel in seiner „Allgemeinen Geschichte der Musik“ 1788, die Musik der Römer als bloßen griechischen Import beschreiben.
Doch die Diskussionen über die römische Musik und ihrer Instrumente zogen sich noch ein Jahrhundert hin.  Auf sie soll hier auch nicht im Einzelnen eingegangen werden.
Inzwischen wurde erforscht, dass bereits vor der Einwanderung der Italiker auf der Apenienhalbinsel musiziert wurde. Allerdings hat man noch keine Belege für die Stein- und Kupferzeit gefunden, also bis ungefähr 2000 v.Chr.
In voretruskischer und vorindogermanischer Zeit hat die Urbevölkerung bereits musiziert.
Viele Volksstämme besiedelten in der Folgezeit das Land: Italiker, Illyrer, Etrusker, Falisker, Osko-Umbrier u.a.
Irgend ein Stamm, man konnte bisher nicht feststellen welcher, bezeichnete das Spielen der Saiteninstrumente mit „fides“. Das war seit mykenischer Zeit bekannt.

Das Spielen von Saiteninstrumenten weist auf frühe Kulthandlungen hin in denen Götter angerufen wurden, was mit Blasinstrumenten nicht möglich war.
So beim griechischen  Apollo-Kult. Während sich die Mädchen zum Reigen aufstellten begann der Kitharode mit dem dreiteiligen Chorlied. Der Vorspruch, mit Saiteninstrument begleitet, umfasste bei Apollon 560 Strophen, die alle improvisiert begleitet wurden. Beim folgenden einstudierten Reigentanz, bei dem die Mädchen die Gottheit anriefen, war keine Improvisation möglich, sie tanzten sich durch Rufen, Singen und Saitenspiel in Ekstase um das Göttliche zu erfahren. Sie waren dann „entheos“ = voll der Gottheit und ihr Zustand wurde mit „Enthosiasmos“ bezeichnet.

Typisch für die Römer wurde es dann, dass die Spielweise der Saiteninstrumente einen anderen Sinn als bei den Griechen bekam. Es wurde die Wirksamkeit der Musik auf die Seele bezweifelt. Kultmusik wurde in der Spätzeit zusammen mit dem Kult abgelehnt, individuelle Eindrücke beim Saitenspiel wurden relativiert und Musik nur zur Erleichterung der Arbeit angesehen.
Man forderte, Musik bei öffentlichen Spielen zu mäßigen, Blasmusik, Handpauken und Rasseln bei dionysischen Festen im privaten Bereich wurde nur geduldet, um bei Vergewaltigungen das Geschrei der Opfer zu übertönen.

Cicero schlägt in seiner Schrift „De legibus“ vor, das Saitenspiel durch Gesetze zu regeln.
Wichtig für die Musikgeschichte, mit Folgen bis heute, wurde es, dass Cicero in seiner bedeutenden Schrift „De finibus“ sich mit den griechischen Lehnwörtern der Musik auseinandersetzt, der Musik eine eigene Fachsprache zubilligt und rät, die griechischen Wörter zu übernehmen, obwohl man alles auch lateinisch ausdrücken könne.
Damit wurde die Übernahme des griechischen Begriffs „Kithara“ für Saiteninstrumente allgemein von den Römern sanktioniert. Noch heute heißt die Gitarre in Italien „chitarra“.
Varo schreibt dann in seinem Werk „De lingua Latina“, 45 v. Chr., dass die Spielweise eines Saiteninstruments lateinisch richtig geschrieben „citharicen“ lauten muss.

Im römischen Reich vor Christus waren somit zwei Begriffe für die Spielweise von Saiteninstrumenten in Gebrauch: 1.Das alte Wort „fides“ und 2. das neu eingebürgerte „citharicen“.
Beide Bezeichnungen gingen später auf Instrumente über, fides als Linie zu den Streichinstrumenten ( Fidel, Violine, Violoncello usw.) und citharicen zu den Zupfinstrumenten. (Kithara, Gitarre, Zitter, usw.)
Die Macht der Musik erkennt Cicero in den Tafelliedern der Salier. Wiegenkithara und Lyra waren die vorherrschenden Saiteninstrumente. Zahlreich sind die etruskischen mythologischen Darstellungen mit Saiteninstrumente: Kitharaspieler, die den Mädchenreigen anführen. Lyraspielende Kentauren,  Amor mit Lyra, Saitenspielerin, Adonis und Turan mit Lyra, die Göttin Lasa einen Leierspieler küssend, Zeus, Herkules, Alkmene, Paris und Phaon, alle mit Leier.
Im Gegensatz zur griechischen Musik- und Kultpflege finden sich viele Belege für das Ensemblespiel mit Blas- und Saiteninstrumente.
Bei dieser Vielfalt im Gebrauch der Saiteninstrumente ist die Ansicht, nur gefangene Griechen hätten die Saiteninstrumente in Rom bekannt gemacht, mehr als unwahrscheinlich.
Allerdings fehlen in der lateinischen Literatur Nachweise über das etruskische Saitenspiel.
11/2 Jahrhunderte wurde nur von Kriegsmusik und Soldatenlieder berichtet, wofür die Quellen des Livius verantwortlich sind.
Nach der großen Seuche 399 v.Chr. wurde das feierliche Göttermahl zur Freude mit Saitenspiel begleitet.
Nach einer erneuten Seuche 367 wurde in Rom das Theaterspiel eingeführt mit der Entwicklung zu musikalischen Großformen. Dazu wurde die griechische Einrichtung des Lyraspiels (Schulunterricht) eingeführt. Plautius bezeichnet mit „musisch“ ironisch ein üppiges Leben. Die Musiker wurden u.a. als „fidicinae“ bezeichnet. Aber schon damals gab es eine zwiespältige Haltung, denn die Berufsmusiker der hellenistischen Zeit, die auf dem Sklavenmarkt gemietet oder gekauft werden konnten, waren verachtet weil sie wegen ihrer Trinkfestigkeit in keinem guten Ruf standen.

188 v.Chr. brachte der Friede von Apameia eine Zeitwende für Rom. Asiatischer Luxus wurde nach Rom eingeführt. Vor allem Saitenspielerinnen, die fortan mit ihrem Spiel die römischen Tafeln bereicherten und allgemein zu einer Hellenisierung des römischen Musiklebens beitrugen.
Der Dionysuskult wurde wegen der hemmungslosen Ausschweifungen sofort verboten.
In öffentlicher Rede beklagt man, dass zwölfjährige Kinder des römischen Adels in die Schauspielschule gingen, um tanzen und singen zu lernen.

 

Nach den Kriegen 171-168 und der Neuordnung Griechenlands, kamen tausende Griechen als Sklaven nach Rom und verbreiteten griechische Musikkenntnisse –Gewohnheiten und –Fertigkeiten. Der ursprüngliche Bedeutungsinhalt der griechischen Kult-„musice“ wurde aber  umgedeutet.
Bei Terenz wird dann das „studium musicum“ im weiteren Sinn als geistige Bildung beschrieben, dann aber auch als reine Tonkunst, so dass seit diesem Zeitpunkt, 161 v.Chr., der Name „musik“ für Tonkunst in Rom eingebürgert war.
Terenz beschreibt auch, dass die Begleitsklaven in der Barbierstube warteten, bis die Schüler „citharistria“ das Haus des Musiklehrers verließen.
Bedeutende Römer schwelgten nur in Musik, so brandmarkt Cicero den luxuriösen Lebensstil des Chysogonus und informiert über die so große Zahl von Musiksklaven, die es ermöglichten Tag und Nacht mit ihrem Gesang, Saiten- und Tibiaspiel die ganze Nachbarschafz widerhallen zu lassen.Cicero beklagte sich auch über Verres, der anstatt auf dem Forum seinen Dienstgeschäften nachzugehen sich am Strand mit Sängerinnen und Saitenspielerinnen vergnügte.

Im Jahre 78 / 77 v.Chr. sind dann Silbermünzen (Silberdenar) im Umlauf, auf deren Vorderseite ein Trigonon und auf der Rückseite eine Laute eingeprägt ist. Das ist ein früher Beweis, dass den Römern auch die Laute im Musikleben bekannt war, denn in den römischen Kolonien in Kleinasien, dem Vorderen Orient und Nordafrika wurde sie ja gespielt.

Im Jahr 55 v.Chr. verlangte Cicero in „De oratore“ vom vollkommenen Redner eine umfassende Bildung zu der er die Musik, Geometrie, Astronomie, Grammatik und Rhetorik zählte.
Vom Gerichtsredner verlangte er, dass dieser die Gemüter der Richter so erreichen müsse, wie man mit den Händen in die Saiten der Kithara greift.

Horaz hat die äolische Lyrik als instrumental begleitetes Kunstlied in Rom eingebürgert. Demzufolge sieht man ab da eine römische Musik als eigene Kunstleistung.

Rom nach Christi Geburt

Nero und Hadrian hatten privat Odeen, doch trat Nero gerne mit seiner Kithara im Odeon in Neapel auf.(Das sogenannte Odeia war eine Musikhalle für öffentliche Musikaufführungen und hat seinen Namen vom griechischen „Ode“ = Gesang.)
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Nero (54-68) war von besonderem Ehrgeiz. Er wollte unbedingt als Wagenlenker und Kitharöde auftreten. Als er Herrscher wurde verpflichtete er den berühmten Kitharöden Terpnus. Ihm hörte er stundenlang zu und ließ sich unterrichten. Im Jahr 59 wagte er dann seine ersten öffentlichen musikalischen Darbietungen in seinem Privattheater. Ein Jahr später führte er, nach griechischem Vorbild, den öffentlichen Musikwettbewerb ein. Das war umstritten, weil das Auftreten auf der Bühne in Rom als ehrlos angesehen wurde. Nero gewann natürlich immer den Siegerkranz als Kitharode, den er dann vor der Augustusstatue niederlegte. Doch er wollte mehr, wollte berühmter werden und so versuchte er in Neapel im Jahre 64 mehr Ansehen bei der Bevölkerung zu erreichen.  Nero gefiel der taktmäßige Beifall der Alexandriner in Neapel so gut, dass er eine Gruppe Klatscher für sich verpflichtete, die 5000 Zuschauern das Taktklatschen beibringen mussten.
Tagelang trat er in Neapel auf, hatte keine Scheu auf der Bühne zu essen und zu trinken und selbst bei einem kleinen Erdbeben sang und spielte er zu ende.
Als im Jahr 64 der große Brand in Rom stattfand, Nero Angst hatte,  auf ihn würde der Verdacht fallen, ließ er die berüchtigte Christenverfolgung geschehen. Als Legende, hervorgerufen durch seine extravaganten Launen, wird heute sein Kitharaspiel beim Anblick des brennenden Roms vermutet. Dieser frivole Missbrauch einer künstlerischen Impression wird ihm aber heute  nicht mehr zugemutet. (G. Scheda).
Nero wollte seinen Ruhm als normaler Bewerber beim Wettstreit erringen. Dazu trat er wie bei Kitharisten üblich, in pythischer Festtracht auf. Die bestand aus einem langen mit Gold bestickten Purpurmantel und einer mit Edelsteinen besetzten Goldkrone. Die Kithara wurde mit einem Trageband gehalten.
Er vermied es, wie die anderen Bewerber, sich zu räuspern, zu niesen, sich ermüdet zu setzen und auszuspucken. Nach Tacitus trat er den Kampfrichtern mit Ehrerbietung gegenüber und hatte großes Lampenfieber. Er sang sehr lange, bis nachmittags um vier Uhr und verschob dann die Ausscheidung der Jury auf das nächste Jahr, denn er hatte Bedenken schlecht abzuschneiden. Dann war ihm das wieder zu lange und er trat erneut auf. Tacitus schildert, dass er das Publikum mit Kniefall und Handkuss begrüßte, wartete dann mit gespielter Sorge auf die Entscheidung der Kampfrichter während die Zuhörer taktmäßig klatschten.
Die Mitbewerber betrachtete er mit Eifersucht, stellte ihnen Fallen, beschimpfte sie und versuchte sie zu bestechen. Im Publikum waren Spitzel, die Uninteressierte, Schlafende oder Ferngebliebene denunzierten. Das konnte den Betroffenen dann den Kopf kosten. Niemand durfte das Theater verlassen, solange Nero sang, nur wer sich glaubhaft tot stellte, wurde hinausgetragen.
Ende 66 bis Anfang 68 reiste er durch Griechenland und trat dort unter anderem als Kitharode auf. Um bei möglichst vielen Wettkämpfen zu gewinnen ließ er die traditionellen Feste auf ein Jahr zusammendrängen und selbst in Olympia wurde ausnahmsweise ein musisches Fest veranstaltet.
Bei der Rückkehr nach Rom wurden bei seinem triumphfahlen Einzug Schilder mitgetragen auf denen seine Siege als Kitharode mit Ort und Titel vermerkt waren.
In seinem Gefolge befand sich auch der Kitharode Menekratis, dem er ein Vermögen und Häuser schenkte, auch der Kitharode Diodoros gehörte dazu. Scheinbar konnte er aber den einst sehr berühmten Kitharoden Pammenes nicht leiden, zwang ihn im hohen Alter aufzutreten, als er nicht mehr singen konnte, um dann dessen Bildsäulen umwerfen zu lassen.  
Kritik gegen Nero gab es weitab von Rom, so bezeichnete Vindex in Gallien Nero als „malus citharoedus“, als schlechten Kitharoden. Ebenfalls wagten Tacitus und Seneca sich kritisch zu äußern.
Nach Neros Tod gab es dann eine Sammlung seines Repertoire kitharodischer Nomoi unter dem Namen „Dominicum“. Diese Gesänge von Nero waren noch lange weit verbreitet, so dass der Kaiser Nero mit Horaz und Ambrosius heute zu den bekanntesten Schöpfern römischer Musik zählen.

Zum Ende des 2. Jahrhunderts kamen zu den heidnischen Musikschriftsteller allmählich christliche hinzu.
Diese wandten sich gegen das praktizierte Musikleben der Römer. Titus Flavius Clemens von Alexandria, christlicher Schriftsteller und Theologe, wetterte in seinem „Paedagogus“ zu dem Überhandnehmen der Instrumentalmusik. Tertullian (um160-220) sah in dem Theater mit seiner Musik die Pflanzstätte heidnischer Religion. Vollkommen wurde Tanz- und Instrumentalmusik abgelehnt von Origenes aus Alexandria (um185-253) und Caecilius Cyprianus in Karthago (um 200-258).

Der letzte Soldatenkaiser Carinus (283-285) berief viele Musiker nach Rom und leistete sich wie griechische Fürsten Monstre-Orchester. Das zeigt, dass trotz der gewaltigen innen- und außenpolitischen Problemen die Musik in der zu Ende gehenden Epoche den Menschen in gewohnter Tradition Ablenkung und Trost spendete.

Bald darauf wurde das Christentum Staatsreligion. 313 im Mailänder Toleranzedikt geduldet.

Einen Bruch zwischen der antiken Musik und dem Mittelalter hat es nicht gegeben, obwohl zeitweise musikhistorische Überlieferungen aussetzten. Eine Bedeutung in der Überlieferung der antiken Instrumente, den Singspielen und Weisen kommt nun aber den im Mittelalter verachteten fahrenden Spielleuten zu, die Instrumente und Spieltechniken lebendig erhielten und verbreiteten.

Von Wolfgang Dix (Dixi) sehr gekürzt, so auf dem Treffen vorgetragen.

     
     
 
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