Die Varusschlacht

 
 

Bei den Römern hingegen war in den vorausgehenden Gefechten schon eine Menge gefallen, und ihre Reihen waren gelichtet. (5) So konnten die Barbaren ihre Gegner leichter umzingeln und niedermachen. Varus und die übrigen hohen Offiziere erfaßte darüber Angst, sie möchten entweder lebendig in Gefangenschaft geraten oder von ihren grimmigsten Feinden getötet werden – sie waren ja schon alle verwundet –, und das ließ sie eine zwar schreckliche, aber notwendige Tat wagen: Sie begingen Selbstmord.

22 (1) Als sich die Kunde davon verbreitete, leistete vom Rest der Leute, selbst wenn er noch bei Kräften war, nicht einer mehr Widerstand, vielmehr ahmten die einen das Beispiel ihres Feldherrn nach, während die anderen selbst ihre Waffen wegwarfen und sich vom nächstbesten, der da wollte, niedermachen ließen; denn Flucht war unmöglich, wie sehr sie einer auch ergreifen wollte. (2) Und so wurde jeder Mann und jedes Pferd, ohne daß man Gegenwehr fürchten mußte, niedergehauen. (Hier hat der Text eine Lücke, die über die Varusschlacht hinausreicht.)

Die römischen Verluste waren gewaltig, und so kamen schlimme Nachrichten aus Germanien über die Vernichtung des Varus und seiner Legionen sowie von drei Kavallerieregimentern und sechs Kohorten (Velleius 2,117). Augustus soll daraufhin, so berichtet Sueton in seiner nach 120 n. veröffentlichten Augustus-Biographie, aus-gerufen haben: Vare, legiones redde – „Varus, gib (mir) die Legionen zurück!“ (Sueton, Vita divi Augusti 23,2). In Rom brach Panik aus, doch die Germanen verstanden es nicht, die Gunst der Stunde zu nutzen.

Die vernichteten Legionen – die XVIII., XIX. und XX. – wurden nie wieder neu aufgestellt. Mit ihnen, den etwa 15.000 bis 18.000 Legionären, waren auch noch an die 1.000 Reiter und wohl 5.000 bis 6.000 weitere Legionäre gefallen, fast ein Achtel des römischen Heeres. Die untergegangenen Legionen wurden später durch die XXVI. XXVII. und XXVIII. ersetzt. Nur einer einzigen Garnison rechts des Rheins gelang es, sich mit Frauen und Kindern über den Fluß zu retten (Cassius Dio 56,26). Die Tatsache, daß bei den Truppen Frauen und Kinder waren, legt den Schluß nahe, daß sich das Verhältnis zu den Germanen friedlich gestaltet hatte und daß Varus das getan hatte, was unter diesen Umständen seine Aufgabe war, nämlich in der neuen Provinz, die dafür bereit schien, eine Steuerverwaltung und eine reguläre Rechtsprechung einzurichten.

Jede Geschichte hat ihre Nachgeschichte, so auch diese. Erst zwei Jahre nach der Schlacht ging Tiberius im Jahr 11 n. wieder zu Einfällen nach Germanien über. Hauptzweck war zunächst, die Moral der Truppe wieder zu festigen. Doch die Provinz Germania war und blieb verloren; das große Lager in Haltern wurde nicht wieder besetzt. Germanicus, ein Sohn des Drusus, Neffe und Adoptivsohn des Tiberius, löste im Jahr 13 n. seinen Adoptivvater im Kommando über die Truppen am Rhein ab. Trotz mehrerer Feldzüge in den Jahren 14 bis 16 n. – ihm standen insgesamt acht Legionen zur Verfügung – wurde der Krieg gegen die Germanen mehr geführt, um die Schande jenes unter Varus‘ Kommando verlorenen Heeres wiedergutzumachen, als in dem Wunsche, das Reich noch zu vergrößern, oder in der Erwartung eines entsprechend hohen Gewinnes – berichtet der römische Historiker Tacitus in seinen um 116/117 geschriebenen Annalen (1,3).

Bei einem dieser Feldzüge drang Germanicus im Jahre 15 n. tiefer nach Germanien ein. Mit Hilfe einer Flotte gelangte er auf der Ems in das Land der Brukterer. Über den Fortgang dieser Unternehmung schreibt Tacitus, der als ehemaliger Konsul, Prokonsul und Praetor wie später Cassius Dio Zugang zu den Akten des Reichs-archivs hatte, aber auch zeitgenössische Quellen verwandte: (1,60) Die Brukterer verbrannten selber ihre Ortschaften und wurden von den leichtbewaffneten Truppen unter Stertinius in Germanicus‘ Auftrag in die Flucht geschlagen. Beim Morden und Plündern fand sich der Adler (entspricht etwa heute einer Standarte oder Fahne) der XIX. Legion, die mit Varus zugrunde gegangen war. Weiter wurde der Heereszug bis in die entlegensten Teile des Bruktererlandes geleitet und alles Land zwischen den Flüssen Ems (Amisia) und Lippe (Lupia) verwüstet. Man war dem Teutoburger Wald (Teutoburgiensis saltus), in dem, wie es hieß, die Reste der Legionen und ihres Feldherrn Varus unbestattet lagen, nicht mehr fern. (61) In Germanicus regte sich der Wunsch, den Soldaten und ihrem Feldherrn die letzten Ehren zu erweisen, und ebenso war das gesamte anwesende Heer in wehmütiger Stimmung. Man dachte an die toten Verwandten und Freunde, überhaupt an das launische Kriegsglück und das Los der Menschheit.
Caecina wurde vorausgesandt, die dunklen Waldschluchten zu durchforschen, Dämme und Brücken über die feuchten Sümpfe und trügerischen Moorwiesen zu bauen. Dann gelangte man an die traurige Stätte, die einen grauenvollen Anblick gewährte und so schaudervolle Erinnerungen barg. Der Umfang, die Absteckung des Hauptplatzes deutete bei dem ersten Lager des Varus deutlich darauf hin, daß drei Legionen daran gearbeitet hatten. An dem halb eingestürzten Wall und dem flachen Graben erkannte man dann den Platz, an dem die bereits zusammengeschmolzenen Reste gelagert hatten. Mitten auf dem Felde lagen bleichende Knochen, bald einzeln, bald haufenweise, je nachdem sie von Flüchtigen oder von einer noch kämpfenden Abteilung herrührten. Daneben zerbrochene Waffen und Pferdegerippe; an den Bäumen waren Menschenschädel befestigt. In den Hainen in der Nähe standen die Altäre der Barbaren, an denen man die Tribunen und die Centurionen ersten Ranges geschlachtet hatte. Soldaten, die lebend aus jener Niederlage davongekommen waren, die sich aus der Schlacht oder der Gefangenschaft hatten retten können, zeigten nun die Stellen, wo die Legaten in den Staub gesunken, wo die Adler verloren gegangen waren; wo Varus die erste Wunde erhalten, wo der Unselige sich mit eigener Hand den Todesstoß versetzt hatte; von welcher Tribüne aus Arminus zu seinem versammelten Heer gesprochen hatte, wieviel Galgen, was für Martergruben er für die Gefangenen hatte herrichten lassen, und wie er im Hochgefühl seines Sieges über die Feldzeichen und Adler gespottet hatte.
(62) So begrub das römische Heer sechs Jahre nach dem unglücklichen Ereignis, unter wachsendem Ingrimm gegen die Feinde, die Gebeine der drei Legionen. Keiner wußte, ob er die Reste Fremder oder die seiner Angehörigen mit Erde überdeckte. Man sah in allen Freunde und Blutsverwandte. Das erste Rasenstück zu dem Grabhügel legte Germanicus: Den Toten erwies er den ersehntesten Dienst, die Lebenden tröstete er in ihrem Schmerz.

Nachzutragen ist, daß es im Jahre 16 n. bei einem weiteren Vorstoß einem römischen Heer gelang, einen weiteren Legionsadler der Truppen des Varus zurückzugewinnen (Annalen 2,25). Es blieb bei diesem und einigen anderen Vorstößen, die aber nichts daran änderten, daß es die Römer nicht schafften, einen günstigeren Grenzverlauf als den an Rhein und Donau zu erreichen. Im wesentlichen erst im zweiten Jahrhundert gelang es ihnen mit viel Mühen doch noch, diese Grenze zu verkürzen, und zwar durch den Bau des Obergermanischen Limes zwischen dem rechtsrheinischen Rheinbrohl – nordwestlich von Neuwied gelegen – und Lorch sowie dem Bau des Rätischen Limes zwischen Lorch und Eining – nördlich von Neustadt an der Donau.

Wo aber lag der Ort dieser Schlacht? Die topographischen Beschreibungen der antiken Autoren sind so vage, daß sie nicht zu verifizieren sind. Denn nur ein einziger von ihnen war je dort in Germanien. Und der – Velleius – hat keine brauchbaren topographischen Notizen hinterlassen. Wir wissen nicht einmal, welches Mittelgebirge für Tacitus der Teutoburgiensis saltus war, wobei saltus einen „gebirgigen, waldigen Landstrich“ meinen kann, ein „Waldgebirge“, eine „Gebirgs-“ oder „Waldschlucht“, ein „Waldtal“, aber auch einen „Gebirgspaß“. Nur eines ist ziemlich sicher: der Ort muß irgendwo in Nordwestdeutschland liegen, nicht allzu weit entfernt von Ems und Lippe. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich könnte nach allem allein eine Örtlichkeit haben, die einerseits nicht allzu weit von den bei Tacitus genannten topographischen Gegebenheiten entfernt ist – wortwörtlich und übertragen – und wo es archäologische Hinweise dafür gibt, daß dort eine Schlacht dieses Ausmaßes stattgefunden haben könnte.

Hier kommt der Kalkrieser Berg östlich von Bramsche ins Blickfeld. Topographisch findet sich dort vieles, was unter den Bedeutungen von saltus aufgezählt ist. Er liegt am nördlichen Rand des Wiehengebirges, und vielleicht ist ja dieser Höhenzug der Teutoburgiensis saltus des Tacitus. Sodann beträgt die Entfernung zur Ems nur rund 40 Kilometer Luftlinie. Und schließlich sind am Kalkrieser Berg auf einer bisher nur teilweise untersuchten Fläche von rund 30 km² eine große Menge Fundstücke ausgegraben worden, die auf eine militärische Auseinandersetzung zwischen Römern und Germanen hindeuten. Dazu gehört eine beträchtliche Anzahl römischer Münzen, deren keine nach 9 n., dem Jahr der Schlacht, geprägt wurde und von denen überdies etliche das Prägezeichen VAR des Varus aufwiesen. Ferner wurden Leichengruben mit Knochen von Männern im Alter von 19 bis 45 Jahren gefunden, dem typischen Alter römischer Legionäre, und vieles mehr.

Natürlich bietet all das immer noch keine Sicherheit, daß mit dem Kalkrieser Berg nun endlich der Ort der Varusschlacht gefunden ist. Wohl aber besteht eine erhebliche Wahrscheinlichkeit, daß er es sein könnte, zumal bisher kein anderer Ort bekannt ist, an dem die vagen topographischen Angaben der antiken Autoren und die archäologischen Funde so gut zusammenpassen wie an dieser Stelle. Also ist bis zum Beweis des Gegenteils zu vermuten, daß der Ort jener für Römer und Germanen gleich bedeutsamen Schlacht nun endlich gefunden ist.

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Benutzte Übersetzungen der antiken Autoren:
Cassius Dio: Römische Geschichte. Bd. IV. Bücher 51-60. Übersetzt von O. Veh. Zürich 1986.
Sueton: Leben der Cäsaren. Deutsch von A. Lambert. München 1972.
Tacitus: Annalen. Deutsch von A. Horneffer. Wiesbaden o. J.
Velleius Paterculus‘ Römische Geschichte. Deutsch von F. Eyssenhardt. Berlin o. J.

Peter Weigandt

Eines ist sicher: Dort, wo bei Detmold das Herrmannsdenkmal steht, hat im Jahr 9 n. die „Varusschlacht“ oder die Schlacht im „Teutoburger Wald“ oder, wie auf einer Schrifttafel im Deutschen Historischen Museum in Berlin zu lesen ist, der „Urknall der deutschen Geschichte“ nicht stattgefunden. An welchem Ort aber dann? Vielleicht am Kalkrieser Berg in der Nähe von Bramsche?

Zunächst sei ein Blick auf die Vorgeschichte dieses dramatischen Ereignisses geworfen. Seit dem Jahr 12 v. unternahmen die Römer immer wieder Versuche, Germania, wie sie das Land östlich des Rheins nannten, bis zur Elbe zu erobern. Hauptziel dieser Eroberungskriege war, die Grenze gegen die germanischen Stämme zu verkürzen und sie von Rhein und Donau auf die leichter zu verteidigende Linie Elbe–Moldau–Donau vorzuverlegen.

Die Feldzüge gegen die Germanen eröffnete Drusus, Bruder des späteren Kaisers Tiberius. Im Jahr 9 v. stieß er mit seinen Truppen bis an die Elbe vor, verunglückte jedoch beim Rückmarsch in das Winterquartier tödlich. Tiberius setzte zwischen den Jahren 8 bis 6 v. sowie 4 und 5 n. die Feldzüge gegen die Germanen fort. Über diese Feldzüge schrieb der römische Geschichtsschreiber Velleius, der unter Tiberius Legionskommandeur war, in seiner Römischen Geschichte: Tiberius führte den Krieg mit der ihm eigenen Tapferkeit und dem gewohnten Glück weiter; siegreich durchzog er alle Teile Germaniens ohne jeden Verlust für das ihm anvertraute Heer. ... Er bändigte Germanien so vollständig, das es fast zu einer tributpflichtigen Provinz wurde (Velleius 2,97).

Die Verwaltung der römischen Provinz Germania übernahm im Jahr 7 n. Publius Quinctilius Varus als Legatus Augustii pro praetore, als Statthalter einer kaiserlichen Provinz, kaiserlich, weil sie an der Reichsgrenze lag und deshalb der Oberaufsicht des Kaisers und nicht des Senats in Rom unterstand. Er war mit einer Großnichte des Augustus verheiratet. Anders als Drusus und Tiberius war Varus jedoch weniger ein Militär als vielmehr von milder Gesinnung und ruhigem Temperament, an Geist und Körper schwer beweglich und eher die Muße des Lagerlebens als das Kriegsführen gewohnt (Velleius 2,117). Inwieweit diese Charakterisierung zutrifft, mag offen bleiben.

An der Nordgrenze des Römischen Reiches schien entlang von Rhein und Donau alles ruhig, und daher schien auch ein Vorstoß in die von den Germanen bewohnten möglich, der viel weiter als die bisherigen ausgreifen sollte. Tiberius beabsichtigte zunächst, Böhmen zu erobern. Doch dann begannen Rekruten aus dalmatinischen Stämmen, die am Angriff auf Böhmen teilnehmen sollten, zu meutern. Die Meuterei weitete sich zu einem Aufstand aus, der sich von der dalmatinischen Küste bis nach Pannonien ausdehnte. Tiberius brach daraufhin den geplanten böhmischen Feldzug ab. Erst nach drei Jahren gelang es ihm im Jahr 9 n., den Aufstand endgültig niederzuschlagen.

Die einzige Schilderung der Varusschlacht, also dessen, was sich anschließend in Germanien abspielte, überliefert der römische Historiker Cassius Dio. Zwar ist seine Römische Geschichte erst nach dem Jahr 229 n. entstanden, jedoch war er zuvor im Staatsdienst als Konsul, Praetor und Provinzgouverneur tätig gewesen und hatte daher Zugang zum Reichsarchiv. Darüber hinaus konnte er sich auf etliche, heute größtenteils verlorene Schriften älterer Historiker stützen. Sein Bericht sei daher vollständig zitiert (Cassius Dio 56,18,1-22,2):

18 (1) In eben jener Zeit hatten sich nämlich in Germanien folgende Ereignisse abgespielt: Die Römer hatten gewisse Teile davon in Besitz, nicht zusammenhängende Gebiete, sondern nur solche Bezirke, wie sie gerade unterworfen worden waren, weshalb denn auch hiervon keine Erwähnung geschah. (2) Und römische Soldaten lagen dort in Winterquartieren, und man begann eben mit der Anlage von Städten. Die Barbaren selbst paßten sich den neuen Sitten an, gewöhnten sich an die Abhaltung von Märkten und trafen sich zu friedlichen Zusammenkünften. Doch hatten sie noch nicht ihre alten Gewohnheiten, ihre angeborenen Sitten, ihr früheres ungebundenes Leben und die Macht vergessen, wie sie vom Waffenbesitz kommt. (3) Daher fühlten sie sich, solange sie diese Sitten nur allmählich und sozusagen nebenher unter genauer Überwachung verlernten, weder durch den Wandel in ihrer Lebensart gestört, noch merkten sie, wie sie andere wurden. Als jedoch Quinctilius Varus Statthalter der Provinz Germanien wurde und in Wahrnehmung seines Amtes sich auch mit den Angelegenheiten dieser Volksstämme befaßte, da drängte er darauf, die Menschen rascher umzustellen, und erteilte ihnen nicht nur Befehle, als wenn sie tatsächlich römische Sklaven wären, sondern trieb sogar von ihnen wie von Unterworfenen Steuern ein. (4) Eine derartige Behandlung aber wollten sie sich nicht gefallen lassen, die Fürsten verlangten vielmehr nach ihrer früheren Machtstellung, die Massen aber gaben der gewohnten Ordnung den Vorzug vor der Fremdherrschaft. Sie empörten sich indes nicht in aller Offenheit, da sie sahen, daß viele römische Truppen am Rhein, viele aber auch in ihrem eigenen Lande standen. (5) Statt dessen nahmen sie Varus bei sich auf, taten so, als wollten sie alle ihnen erteilten Befehle ausführen, und lockten ihn auf diese Weise weit vom Rhein weg, ins Cheruskerland und bis an die Weser. Dort zeigten sie sich höchst friedlich und freundschaftlich und erweckten damit in ihm den Glauben, sie könnten auch ohne die Anwesenheit von Soldaten ein unterwürfiges Leben führen.
19 (1) Varus behielt daher seine Legionen, wie es in einem Feindesland richtig gewesen wäre, nicht beisammen, sondern verteilte viele seiner Soldaten an schwache Gemeinwesen, die ihn darum baten, angeblich zu dem Zweck, entweder verschiedene Punkte zu bewachen oder Räuber festzunehmen oder gewisse Lebensmitteltransporte zu geleiten. (2) Hauptverschwörer und Anführer bei dem Anschlag wie bei dem Krieg waren neben anderen Arminius und Segimerus, Varus‘ dauernde Begleiter und wiederholt auch Tischgenossen (Arminus diente auf den Feldzügen des Tiberius in den Jahren 4 bis 6 n. als Tribun, also als Führer einer Kohorte, die zwischen 800 und 1.000 Mann stark war; für seine militärischen Verdienste erhielt er das römische Bürgerrecht und den Rang eines Ritters [Velleius 2,118]). (3) So fühlte sich der römische Feldherr sicher und rechnete mit nichts Schlimmen; all denen aber, welche die Vorgänge argwöhnisch verfolgten und ihn zur Vorsicht mahnten, schenkte er keinen Glauben, ja machte ihnen sogar noch Vorwürfe, als seien sie ohne Grund beunruhigt und wollten seine Freunde nur verleumden. Dann kam es zu einer ersten Aufstands-bewegung, und zwar bei den Völkerschaften, die von ihm entfernt wohnten, ein wohl-überlegter Plan: (4) Varus sollte gegen diese Unruhestifter zu Felde ziehen und auf dem Marsch durch angeblich befreundetes Gebiet mit geringer Mühe überwältigt werden, anstatt daß er sich, wie bei einem allgemeinen, plötzlichen Ausbruch von Feindseligkeiten gegen ihn zu erwarten war, besonders in acht nahm. Und so kam es denn auch: Zuerst gaben ihm die Verschworenen beim Ausmarsch das Geleit, dann beurlaubten sie sich, um angeblich die verbündeten Kontingente zu sammeln und ihm damit rasch zur Hilfe zu kommen, (5) übernahmen aber nur die Führung ihrer schon bereitstehenden Truppen und griffen, nachdem man allerorts die dort befindlichen, zuvor erbetenen Garnisonen niedergemacht hatte, den Feldherrn selber an, der sich bereits inmitten undurchdringlicher Wälder befand. Dort aber offenbarten sich im gleichen Augenblick die Germanen statt als Untertanen – als Feinde und richteten viele schreckliche Verheerungen an.
20 (1) Die Berge, ohne Ebenen, waren nämlich von Schluchten durchzogen, außerdem standen Baumriesen dicht nebeneinander, so daß die Römer bereits vor dem feindlichen Überfall mit dem Fällen der Bäume, der Anlage von Wegen und der Überbrückung von Geländeabschnitten, wo solches nötig war, Mühe genug hatten. (2) Wie mitten im Frieden führten sie viele Wagen und auch Lasttiere mit sich; dazu begleiteten sie zahlreiche Kinder und Frauen und noch ein stattlicher Sklaventroß, die sie ebenfalls zu einer gelockerten Marschform zwangen (diese Schilderung spricht eher dafür, daß sich die Römer wie alljährlich – vermutlich im September – auf dem Marsch in die Winterquartiere, wahrscheinlich in Haltern und am Rhein, befanden). (3) Inzwischen kam auch ein starker Regen und Sturm auf, was die Marschierenden weiter voneinander trennte, und der Boden, um die Wurzeln und Stämme eher schlüpfrig geworden, machte jeden Schritt höchst unsicher; Bruch und Sturz der Baumwipfel sorgten für weitere Verwirrung. (4) Mit solchen Schwierigkeiten hatten damals die Römer zu ringen, als die Barbaren, wegekundig wie sie waren, gerade durch die ärgsten Dickichte drangen und sie plötzlich gleichzeitig von allen Seiten her umzingelten. Zuerst schossen sie nur aus der Ferne, dann aber, als niemand sich wehrte und viele verwundet wurden, rückten sie näher an die Gegner heran. (5) Die Römer marschierten ja in keiner festen Ordnung, sondern im Durcheinander mit Wagen und Unbewaffneten; sie konnten sich auch nirgendwo leicht zu einer Gruppe zusammenschließen, und da sie überall den jeweiligen Angreifern zahlenmäßig unterlegen waren, hatten sie selbst schwer zu leiden, ohne etwas dagegen ausrichten zu können.
21(1) Aus diesem Grunde schlugen sie an Ort und Stelle ein Lager auf, nachdem sie, soweit dies auf einem bewaldeten Berge möglich war, einen passenden Platz gefunden hatten. Hierauf verbrannten sie die meisten Wagen und was ihnen sonst nicht dringend nötig schien, oder ließen sie zurück. Anderntags ging der Marsch in etwas besserer Ordnung weiter, und sie erreichten, freilich nicht ohne blutige Verluste, sogar freies Gelände. (2) Von dort aus gerieten sie aber wieder in Wälder, und hier mußten sie sich gegen die Angreifer wehren, wobei sie aber gerade die schwersten Verluste erlitten. Denn auf so engen Raum zusammengepreßt, damit Schulter an Schulter Reiter und Fußvolk den Feinden entgegenstürmen könnten, stießen sie vielfach aufeinander oder auf die Bäume. (3) Als der vierte Tag graute, befanden sie sich immer noch auf dem Marsch, und erneut überfielen sie heftiger Regen und starker Wind, die sie weder weitergehen noch festen Stand finden, ja nicht einmal mehr die Waffen gebrauchen ließen. Sie konnten sich nämlich nicht mehr mit Erfolg ihrer Bogen und Speere oder der ganz und gar durchnäßten Schilde (die mit Leder überzogen waren) bedienen. (4) Die Feinde hingegen, größtenteils nur leicht gerüstet und imstande, ungefährdet anzugreifen und sich zurückzuziehen, hatten weniger unter den Unbilden zu leiden. Außerdem hatte sich ihre Zahl stark vermehrt, da viele von den anderen, welche zunächst nur abgewartet hatten, sich ihnen jetzt – vor allem in Hoffnung auf Beute – anschlossen.

 
     
 
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