Laute und Gitarre
   

Dixi
Wolfgang Dix Heiligenhaus

Diskussionsbeitrag
September 2009, in Papenburg

Der Abend verging schnell, unser Treffen war kurz, wir wollten lieber singen und hatten wenig Zeit für lange Vorträge. Deshalb hier noch ein „Nachwort“ zu Laute und Gitarre in der Jugendbewegung:

Die Vor- und Entwicklungsgeschichte der Laute und Gitarre werde ich an anderer Stelle darlegen. ( Im Teilbereich schon von mir veröffentlicht bei Ricordi, München, in der Festschrift für Professor Heinz Teuchert.) Beginnen möchte ich mit einem markanten Ereignis, dabei ist aber zu Berücksichtigen, dass die Gitarre schon Jahrhunderte vorher im deutschen Sprachraum bekannt war.

Der Weimarische Hofinstrumentenmacher Jakob August Otto (1760-1829) schrieb in einem Bericht:
Dieses Instrument ist aus Italien zu uns gekommen. Im Jahre 1790 brachte die Herzogin Amalie von Weimar die erste Gitarre aus Italien nach Weimar, und sie galt damals als ein neues Instrument. Es erhielt sogleich allgemeinen Beifall. Von Herrn Kammerherrn von Einsidln bekam ich den Auftrag, für ihn ein gleiches Instrument zu verfertigen. Nun musste ich noch für viele Herrschaften dergleichen machen und bald wurde die Gitarre in mehreren großen Städten, in Dresden, Leipzig, und in Berlin, bekannt und beliebt. Von dieser Zeit an hatte ich zehn Jahre so viele Bestellungen, dass ich sie kaum befriedigen konnte...."

Die Gitarre war damit wieder hoffähig geworden und wurde breiten Volksschichten bekannt. Lauteninstrumente und die früheren Gitarren wurden mit Ende des 18. Jahrhunderts durch das Hammerklavier verdrängt.

Nun erinnerte man sich wieder der alten Saiteninstrumente, sie waren bequem zu transportieren und zu handhaben und man konnte harmonisch auf ihnen musizieren. Die vielen sehr bedeutenden und weniger bekannten Komponisten der Folgezeit, die sich mit dem künstelerischen Solospiel und anspruchsvoller Kammermusik beschäftigten, lassen wir aus. Hier interessiert wie die Entwicklung zum Begleitinstrument, zur vereinfachten Gitarretechnik, sich anbahnte, die dann mit großem Erfolg vom Wandervogel aufgenommen wurde.

Der Vorläufer des „Zupfgeigenhansel“ war die „Praktische Gitarrenschule“ von F. Samans. In der Vorrede schrieb der Verfasser: „Seitdem ich das Vergnügen habe, singlustige Jünglinge und Jungfrauen im Gitarrespiel zu unterrichten, dauert es den meisten derselben in der Regel zu lange, ehe sie nach genauer Notenkenntnis endlich so weit kamen, auch nur ein einfaches Lied genügend begleiten zu können. Überdruß und Mangel an Zeit hatten nun natürlicherweise zur Folge, dass die gute Sache ins Stocken geriet.

Um die gesunkene Lust jedoch einigermaßen wieder zu beheben, lehrte ich sie alsdann die gewöhnlichst vorkommenden Begleitakkorde für die Gitarre nur der äußeren Form nach zu kennen oder teilte ihnen dieselben schriftlich mit.

Dann wählte ich bekannte Lieder, schrieb unter deren Text in Buchstaben die Namen derjenigen Akkorde hin, in welchem sich ihr Melodien bewegten, und ließ sie so von den Schülern ausführen.
Mit Freuden lernte der Singlustige die ferneren Akkorde greifen, die er auch alle leicht und sehr genau behielt, und ward auf diese Art doch auch ein sich und anderen genügender Gitarrespieler.

Ich selbst aber bekam durch das Suchen hin und her nach hübschen Liedern eine recht reichhaltige Sammlung, und jeder, der dieselbe kennenlernte und sich von der so ganz leichten Ausführung der ihrer Begleitungen überzeugte, äußerte mir den Wunsch, sämtliche Lieder, wie es hier geschehen, in einer Weise doch zum Druck zu befördern.

Ich habe es daher gewagt, dem Verlangen so vieler endlich nachzukommen und meine Liedersammlung stufenmäßig geordnet unter dem Namen „Praktische Gitarrenschule“ für alle, welche Gesang lieben, ins Leben treten zu lassen.“. Die Gitarre hatte wieder eine neue Blütezeit sowohl als Soloinstrument wie auch zur Liedbegleitung. 1877 wurde eine Aufstellung in Leipzig gemacht: Es waren 192 verschiedene Gitarrenschulen auf dem Markt. 6558 verschiedene Kompositionen, die von 668 Tonsetzern verfasst worden waren.

Als K. Fischer in Berlin-Steglitz 1896 den Wandervogel ins Leben rief, war sein Hauptanliegen die Volksliedpflege, allerdings stark romantisch-schwärmerisch.
H. Breuer gründete 1907 den „Wandervogel, deutscher Bund für Jugendwanderungen“, und stellte die Volkslieder nicht nach ästhetischen Gesichtspunkten zusammen sondern nach ihrer unmittelbaren Wirkung auf die Jugend. Er gab die Sammlung 1908 dann als „Zupfgeigenhansl“ heraus.

1914 erschien der „Zupfgeigenhansl“ ohne Akkordbuchstaben, sondern mit „regelrechter Notenschrift,“ von Heinrich Scherrer angefertigt, der darum gebeten wurde, denn er galt damals schon als Schöpfer des klassischen Gitarrensatzes zum deutschen Volkslied.
Heinrich Scherrer, in Eckernförde geboren, war bayrischer Kammervirtuose, hatte eine Schule für Laute und Gitarre herausgegeben sowie einen Lehrgang: „Die Kunst des Gitarrespiels“ in 10 Bänden. Dazu unzählige Liedersammlungen wie: Deutsche Volkslieder und Balladen, Deutsche Studentenlieder, Oole plattdüütsche Lieder, Lustige Lieder, Soldatenlieder usf.

Die Gitarre als Begleitinstrument war damals schon lange weit verbreitet und ist nicht erst durch die „Jugendbewegung“ in Gebrauch gekommen.

Durch die Berührung mit dem „Münchener Lautenistenkreis“ kam auch die Laute in Jugendgruppen zur Liedbegleitung wieder ins Bewusstsein. Eine andere Strömung ging von Wickendorf aus, wo Wyneken als Reaktion auf den „Stimmungsgenuss“ der Wandervögel für ein aktives Kunsterlebnis eintrat.

In der Folgezeit kam es nicht nur zu Spaltungen der Jugendbewegung in verschiedene Richtungen und Bünde, sondern auch zu deren musikalischen Ansichten und Praktiken.

K. Wölki hatte festgestellt und 1936 in seiner „Instrumentationslehre für Zupfinstrumente“ über die Spaltung der Musikbewegung geschrieben:
„ Einerseits die sogenannte neudeutsche gitarristische Bewegung der romantischen Gitarrenmusik, anderseits die Jugendbewegung der alten Lautenmusik.“ Er charakterisierte die Anhängergruppen weiter:
„Laute und Gitarre, das sind nämlich heute mehr als zwei Namen für zwei Musikinstrumente, es sind Sinnbilder für zwei musikalisch-stilistische Weltanschauungen: Laute spielen heißt, die Romantik ablehnen und sein Heil in der Klassik und Vorklassik suchen, Gitarrist sein, heißt, sich zur Romantik bekennen.“

Das gesellschaftliche Ansehen der Instrumente spielte eine Rolle. - Bis heute nicht ganz überwunden-. In den Gruppen spielte man Gitarre, aber für die Einen sollte es keine Gitarre, sondern eine edlere Laute sein. So entstand ein Instrument, das von den Anhängern liebevoll „Sängerlaute“ und von den Gegnern „Bastardlaute“ genannt wurde.
Es war eine „Gitarrenlaute“, d.h. der Korpus hatte Lautenform, Besaitung und Stimmung entsprachen der Gitarre.

Die als „Bastardspieler“ lächerlich gemachten rächten sich und nannten die Gitarristen abfällig „Klampfer“.
Klampfe kommt von Klampfel, bayrisch = im Sinne, den Gitarrespielern etwas verächtliches anhängen.
Heinrich Scherrer schrieb im Vorwort zum Zupfgeigenhansl: „Das meiste, welches unter dem Namen Laute segelt, hat mit diesem schönen, edlen Instrument nichts als wie die äußere Form gemein.“

Die Bastardlaute gibt es heute im Musikleben nicht mehr. Wenn Laute, dann in der alten Stimmung, Besaitung und Bauform mit Knickhals.

Die weitere Entwicklung ist der Horte ja bekannt.